Vortrag von Eichner “Ist Kunst Religion?” im Haus der evangelischen Kirche in Bonn
Bei einem Interview des Bonner General Anzeigers mit dem Künstler Martin Noel sagte dieser, als ihm die Ausstellungsleitung in einer Kirche übertragen wurde, „er wolle auf keinen Fall irgendwelche „Bildchen“ ausstellen“. Diese Aussage hat beim Bonner Kunstmuseum viel Freude ausgelöst.
Über diesen Satz müsste man aber schon länger nachdenken, denn ist Religion ohne Bildnisse überhaupt denkbar? Durch den Islam.
Kinder reagieren im Religionsunterricht überhaupt nicht auf abstrakte Kunst, sie lässt sie gleichgültig, sie verbinden Religion immer mit einer bildhaften Darstellung. Sieht man die Kultur und Religions - Geschichte der Menschheit mit ihren unzähligen Darstellungen religiösen Inhalts, so wird klar, dass der Mensch sich schon immer „ein Bild machen“ wollte. In den meisten Fällen geht er vom Bildnis des Menschen aus, oder er schafft sich Fabelwesen, Götterbilder, Heldenbildnisse, Symbole, etwa ein Kreuz , die den Glauben der Menschen darstellen sollen, aber er betet selten einen bildlosen Gott an, - außer im Islam und der jüdischen Religion. Im Islam ist die Darstellung Gottes verboten, dafür toben sich die Künstler dort in der Schrift und in kostbaren Ornamenten aus. Jedoch kommt Religion nicht ohne Worte und Schrift aus um sich zu verbreiten. Das Wort ist für die Verkündigung wichtig und das Bild für den Glauben - beides ergänzt sich.
In Anatolien lebten nach neuesten Erkenntnissen schon vor ca. 12.000 Jahren Menschen, die ein kulturell hochstehendes steinzeitliches Leben führten, mit Göttern und deren Bildnisse, die sie verehrten. Das stellt vieles von dem, was wir bisher gelernt haben, in Frage. Aber auch schon hier, in eine der frühesten Kulturen der Menschheit, ähneln sich die Formen und Darstellungen.
Die Menschen haben sich also schon sehr früh zusammengeschlossen um ein Ziel zu haben und um sich zu schützen. Und um Schutz zu finden haben sie schon immer Götter angebetet und verehrt und natürlich auch ihre Vorstellungen in Stein gemeißelt. Was treibt also den Menschen dazu, immer wieder etwas „darzustellen“, und zu formen? Der Künstler macht Kunst nicht nur für sich, sondern auch für die anderen Menschen, die an seiner Kunst Freude empfinden, oder seinen Vorstellungen folgen sollen. Er versucht sein Bestes zu geben, damit Gläubige auch glauben können und dazu brauchen sie Bilder und Skulpturen.
Ich möchte sie bitten, sich das Bild im Treppenaufgang am Fenster mit dem Titel „Der ungläubige Thomas“ einmal näher anzusehen: Es zeigt Jesus, der seinem Jünger Thomas erscheint. Dieser zweifelt daran, dass Jesus auferstanden ist. Jesus zeigt ihm die Wundmale und Thomas, in Gestalt des Künstlers Eichner, fasst in die Wunden. Das Bild ist wie eine Röntgenaufnahme gemacht und zusätzlich zu dem ungläubigen Thomas auf der rechten Seite erscheint auf der linken Seite ein noch modernerer Eichner und fasst ebenfalls in die Wunde des Herzens.
Es zeigt Ausserdem Jesus auf acht Monitoren, also TV Bildschirmen. Warum also dieser doppelte Künstler, der zweifelt? Nach 2 Jahrzehnten sind immer noch Zweifel erlaubt und Künstler gehen den Zweifeln nach und ergründen immer wieder aufs Neue ihren Glauben. Sie können nicht so einfach glauben, sondern wollen sich bis ins letzte Detail erkunden, ob die Sache wahr ist. Künstler sind die Seismographen unserer Zeit, denken oft voraus und sind oft ihrer Zeit voraus, werden angegriffen, verurteilt und sind auch oft wegen ihrer kritischen Einstellung vernichtet worden.
Was werden Christen machen, wenn es hier am Rhein immer wärmer wird? Werden sie Millionen Spanier, Franzosen und Italiener hier ein neues Zuhause bieten, wenn es ihnen in ihrer Heimat zu heiß wird? Oder werden die Grenzen dichtgemacht, um uns vor den bis daher um ihr warmes Klima beneideten Südeuropäern zu schützen? Und, wird Religion dann noch wichtig sein, wenn es um das eigene Überleben geht?
Doch, keine Panik, laufen sie jetzt nicht in Panik nach Hause und sichern schnell noch ihre Hab und Gut, noch leben wir ja glücklich hier am Rhein und können unser Leben genießen. Schon vor 20 Jahren habe ich ein Bild gemalt „Bonn im Jahr 2000, nach dem Abschmelzen der Pole, die Höhenlagen sind übervölkert , in den Tieflagen ist alles unter Wasser und die Jugend taucht im Sommer in der versunkenen Altstadt nach verlorenen Schätzen“. Eine Kopie hängt übrigens im Treppenaufgang des Bonner Stadtmuseums und wurde damals von Herrn van Rey, dem ehemaligen Stadtarchivar für die Stadt Bonn erworben. Dieses Bild wurde vom Kulturamt der Stadt Bonn leider völlig ignoriert und ist heute brandaktuell!
Doch ist ein solches Bild religiös? Ich glaube schon!
Ich gehöre der Nachkriegsgeneration an , deren Eltern noch in die beiden Kriege verwickelt wurden In meiner Jugend, ich lebte von 1946 bis 1951 in Köln, dann in Hoffnungsstrahl (Rheinisch Bergischer Kreis), war Kirchgang etwas Selbstverständliches und wurde nicht hinterfragt und man lernte lateinische Texte auswendig, ohne sie zu verstehen. Aber damals hinterfragte ich schon als 6-7 jähriger in Diskussionen mit meinem Pastor religiöse Inhalte. Der gleiche Pfarrer ermöglichte mir später meine erste kleine Ausstellung im Pfarrgemeindesaal und schon wurden meine Bilder beschmiert und beschädigt. „Religion muß Wahrheit sein“, sagte ich damals schon öffentlich. Doch da gerät man schon an seine Grenzen als Kind, denn was ist die Wahrheit eines Kindes?
Es ging mir hier nicht um Formalismen oder Prinzipien, die mit Geschichten erläutert wurden, sondern um ein globales Religionsempfinden, das in allen Menschen steckt. Dieses Urgefühl packt heute alle Menschen, sie werden aber durch ihre eigenen Religionen davon abgehalten, ein einheitliches Religionsgefühl zu entwickeln.
1965 malte ich mein Bild „INRI” und es kam bei der Ausstellung „Traum und Wirklichkeit“ 1966 in der Galerie Gmurzynska in Köln prompt zu einer Anzeige wegen Gotteslästerung. Ich hatte eine nackte Frau ans Kreuz genagelt. Der Oberstaatsanwalt wies aber in einem Anhörungsverfahren einen Prozess ab.
Man sieht, fast alle frühen Bilder hatten religiöse Inhalte und setzten sich mit dem Menschen auseinander.
1966 stellt mich die berühmte Galerie Gmurzynska in der Ausstellung „Traum und Wirklichkeit“ mit vielen berühmten Künstlern wie Bellmer, Max Ernst, Delvaux aus. Man zählte mich plötzlich zu den Surrealisten. Es folgten Kritiken, u.a. in der „Weltkunst“ und in Kölner, sowie Frankfurter Zeitungen.
In den anschließenden Jahren beschäftigte ich mich ebenfalls mit Menschenbildern, malte so genannte „Kopfmenschen“, d.h. alle Figuren hatten einen großen Kopf. Der Ursprung dieser großen Köpfe findet sich in dem Bild „Mutterschaft aus der Retorte“. In der Mitte findet sich eine Dreierkomposition, mit einem so genannten „Dickkopf“. Dieser Dickkopf, durch Zufall entstanden, prägte in den folgenden Jahren meinen Stil und machte mich bekannt, ich beschäftigte mich mit Menschen in ihrem Umfeld, ihren sozialen Verhältnissen und ich machte verschiedene Ausstellungen mit großer Resonanz.
Während dieser Zeit, studierte ich auch an der Kölner Werkschule und anschließend an der Düsseldorfer Kunstakademie und wurde Meisterschüler bei Prof. Sackenheim.
1972 malte ich dann wieder ein Bild mit stark religiösem Inhalt „Kleine Kreuzigung“. Dieses Motiv wurde von mir in den folgenden Jahren immer wieder aufgegriffen. Es zeigt zwei Anstreicher, die während sie streichen, zwischendurch ein Kreuz an die Wand malen. Im Juli dieses Jahres findet in Trier zu Ehren des Kaiser Konstantin eine große Ausstellung statt, für die ich das Bild „Kleine Kreuzigung und Konstantin“ geschaffen habe.
Mich haben immer Handwerker oder Arbeiter während ihrer Tätigkeit fasziniert.
Grundsätzlich finde ich die Trennung von Kunsthandwerk und Kunst fatal. Diese Trennung ist eine Erfindung des 19 Jahrhunderts.
Eines meiner Hauptwerke hängt als Triptychon im ehemaligen Postministerium in Bonn. Das Bild zeigt ebenfalls Arbeiter in den 60er, 70er und 80er Jahren während der Arbeit und das „Kreuz der Arbeit“ beschäftigt sie.
Eines meiner Hauptwerke hängt als Triptychon im ehemaligen Postministerium in Bonn. Das Bild zeigt Arbeiter in den 60er, 70er und 80er Jahren während der Arbeit und das Kreuz der Arbeit beschäftigt sie.
Im Juli dieses Jahres findet in Trier zu Ehren des Kaiser Konstantin eine große Ausstellung statt, für die ich das Bild „Kleine Kreuzigung und Konstantin“ gemalt habe. Das Bild wird auf dieser Ausstellung gezeigt werden.
Die beiden Bilder „Große Freiheit“ schwarz und Weiß, sind auf den ersten Blick nicht als religiöse Bilder zu erkennen, durch den sozialpolitischen Inhalt aber in diese Gruppe einzuordnen.
„Die Kirche und das Dorf“ ist ein Schlüsselbild unter meinen Bildern mit religiösem Bezug. Es zeigt eine nur schwer zugängliche Fels- und Klippenlandschaft, in deren Mitte ein grünes Buch mit einer einsamen kleinen Kirche liegt. Ich habe das Buch gemalt, weil ja am Anfang das Wort war. Die Kirche hat sich eben auf diesem Wort niedergelassen.
Das Dorf befindet sich weit oben auf den Bergen und der Weg zur Kirche unten ist steinig und mühsam. Das Bild wurde 1990 gemalt und hängt in einem Schloß in Südfrankreich.
„„Das Abendmahl“ sorgte 1987 auf verschiedenen Ausstellungen für lebhafte Diskussionen, es wurde u.a. in Hamburg, in München, (Galerie für christliche Kunst) in Düsseldorf (große Düsseldorfer Kunstausstellung), in Hamburg und in Bonn bei Bouvier und im damaligen städtischen Kunstmuseum in Bonn gezeigt. Bei Bouvier baute die Spielbank Bad Neuenahr mitten im Verkaufsraum einen kompletten Roulettetisch auf und ein Groupier leitete das Spiel: rund um den Spieltisch diskutierte eine Gruppe von Personen der Kulturszene das Bild. Es kamen damals ca. 400 Besucher.
Nebenbei erwähnt habe ich häufig in meiner Laufbahn religiöse Themen provokativ dargestellt, wenn es mir um die Wahrheitsfindung im Leben ging. Beide Werke, der ungläubige Thomas und das Abendmahl wurden in eine schwarz oder braun beschichtete Folie mit der Rasierklinge geritzt. Das Material ist sehr dünn und ein falscher Ritz in der Oberfläche hätte wochenlange Arbeit zerstört.
1990 fertigte ich die Skulptur“ Kirche im Umbruch“ an. Das ca. 220 cm hohe Kunstwerk, welches sie im Treppenhaus finden, zeigt die Welt als Rad – Symbol ständiger Bewegung und ständigem, Wandel. Dieses Rad ist zwischen zwei Kirchenräumen installiert. Der untere Raum ist mit einer Oberfläche aus Straßenpflaster gefertigt, im oberen Raum befindet sich eine verlassene Kirche mit einem Tisch und 12 Stühlen für das „Abendmahl“.
Verschlossen wird dieser Raum durch eine Flügeltüre mit einer arabischen Tänzerin. So atmen die Kirchenräume eine tödliche Ruhe, während sich das Weltrad b
Mit der „Seelenwanderung“, 200 x 200 cm entwickelte ich das Thema „Die Kirche und das Dorf“ weiter. Die Kirche als Mittelpunkt habe ich hier weggelassen und damit die Eigenverantwortung des modernen Menschen für seine Religiosität unterstrichen.
Bei den Vorbereitungen zu dieser Ausstellung musste ich mich zwangsläufig mit dem chronologischen Verlauf des religiösen Themas innerhalb meines Gesamtoeuvres auseinandersetzen. Und ich stelle eine, wenn auch vielleicht unterbewusst stattgefundene Entwicklung fest. Das besondere an meinem künstlerischen Schaffen ist natürlich, dass die Kreativität aus mir heraus drängt und dass sich die Themen äußerst langsam entwickeln.
Auf das Bild „Seelenwanderung“ möchte ich kurz noch näher eingehen:
Die meditative Gebirgslandschaft eröffnet dem Betrachter unzählige verschlungene und steinige Wege, in denen ein Ziel nicht zu erkennen ist. Der Weg ist hier das Ziel. Die Wanderung der Seele steht für die Metamorphose der menschlichen Psyche, die, wenn sie erst einmal unterwegs bleibt, zu dem Urgefühl zurückfinden kann, was ich Eingangs erwähnte. Damit wird auch das Grundthema dieser Ausstellung wieder aufgegriffen und der Kreis schließt sich. Kunst und Religion entspringen derselben Intention, nämlich sich hellwach einem Prozess anzuvertrauen, der mächtiger und schneller ist, als der Mensch es mit seiner Ratio vollbringen kann.
Der Künstler ist immer nur das Sprachrohr des Göttlichen, das ihm die Hand führt, wenn er bereit ist, sich auf diese unerklärliche Reise zu begeben.
Hellmuth Eichner
Vortrag in der evangelischen Kirchengemeinde Bonn, anlässlich der Ausstellung am 7.3.07
Adenauerallee 37
53113 Bonn
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