“Der Eichner ist kein Spielzeug!”

Eine Künstlerbiografie von 1966 bis 2012

Christopherus fertig kleine Größe

“Der Eichner” im Atelier 2004

Beuys__auf_Katalogblatt__1972

“Sankt Christopherus trägt auf dem Rücken ein islamisches Mädchen”, 2011

Widmung von Josef Beuys an Eichner vom 16.12.72


Von Sabine Sander

 Der 2003 geschaffene Skulpturenzyklus “Die Zauberflöte” ist ohne Vergleich: Eichner hat Mozarts Sujet komplett in Skulpturen umgesetzt. Es handelt sich um relativ kleine, aber sehr genau hergestellte Plastiken aus Terrakotta oder Ton, teilweise farbig, manche auch ganz in der Tonfarbe belassen. Eichner ist ein Meister der Miniatur, was er schon in seinen vielen Bronzen bewiesen hat. Mit seinen Plastiken aus Ton betrat er eine neue Ausdrucksform in seiner Kunst. Entstehung. Der Eichner beschäftigte sich seit Mitte 2002 intensiv mit Mozarts Zauberflöte. Den Anlass dafür bot seine damals zweijährige kleine Tochter Anastasia, die ein außergewöhnliches Interesse an der Oper und an einem Bilderbuch hatte über die Zauberflöte zeigte. Fast täglich abends musste Eichner das Buch vorlesen, und täglich liefen über Monate CDs von der Zauberflöte. Im Herbst 2002 besuchte Eichner die Bonner Oper mit der Inszenierung der Mozartoper von Jürgen Rose- gemeinsam mit seiner kleinen Tochter. 2001 sah er sich die Schwetzinger Inszenierung an. Thematische Schwerpunkte Chronologisch begann der Eichner mit der Skulptur Papageno. Papageno ist der genussfreudige Vogelfänger und nimmt im Zyklus rein quantitativ eine besondere Stellung ein. Sein Initiationsweg ist ebenso kurz wie sein Gemüt einfach und klar strukturiert ist: als obere  halbe Kopfhälfte mit symbolisch langer Nase dargestellt beschäftigt er sich mit Vögeln und seinem Traum von Papagena, die zunächst in all ihrer Hässlichkeit, dann auf seinem Kopf thronend inmitten eines Vogelnestes präsentiert wird. In der Mozartoper trägt Papageno ein Schloss vor dem Mund und wird geprüft, ob er auch eine hässliche Papagena notfalls akzeptieren würde. Der Eichner stellt Papagena als viergesichtige Vogelfrau dar – sie ist Papageno zweifellos überlegen, beherrscht seine Gedanken, (thront auf seinem Kopf), und verfügt über die Reize der Versuchung und Fruchtbarkeit, symbolisiert durch die Schlange und die übergroßen Brüste.  Mozart hat übrigens das Allerheiligste der Zauberflöte -, nämlich das Papageno/Papagena - Duett - viele Monate vor der übrigen Partitur komponiert, weil es ihm vor allem anderen wichtig war, die Eintracht der Menschen zu besingen“ (Joachim Kaiser) Die besondere Beziehung zwischen Monostatos und Pamina stellt der Eichner in einer einzigen Skulptur dar, mit der er Rainer Riehns Interpretation sehr nahe kommt: „ Pamina hat ein Unterbewusstsein das sich nach des Monostatos "Umarmung sehnt.“ (J. Kaiser) Pamina ist in den Armen des Monostatos die ganz Hingegebene, die ganz und gern der Lust Ausgelieferte. Das Thema Eros und Lebenslust wird von Eichner als ein ganz wesentliches Thema herausgearbeitet so z. B. auch bei Tamino mit den 2 Damen der Königin der Nacht. Die 2 Damen streicheln den bewusstlosen Tamino, während die 3. Dame den Kampf mit dem Drachen( bei Mozart die Schlange) aufgenommen hat- der Eichner stellt sie ohne Arme dar. Das Thema Opfer wird hier angedeutet. Eichner lässt hier die Handlungsebene der Oper: Die 3. Dame bringt ein Opfer für die Liebe und begibt sich damit in besondere Nähe zu Tamino, der in der“ Wasserprüfung“ enorme charakterliche Kraft symbolisch offenbart. Das zentrale Thema „ die Liebe“ ist es, was an Mozarts Oper über Jahrhunderte hinweg fasziniert. Der Stoff liefert immer neue Fragen, die der Eichner präzisiert. Die Liebe in allen Facetten und emotionalen Qualitäten wird hier beleuchtet. Die Liebe zwischen Papageno und Papagena ist etwas ganz anderes als die zwischen Tamino und Pamina. Tamino und Papageno allerdings sind die Geprüften, die Agierenden, vor allem agieren beide auf eine bloße Vorstellung hin: Tamino bekommt das Bildnis der Pamina in die Hand, bei Papageno entsteht das Bild seiner Papagena im Kopf. Beiden reicht die Vorstellung von der Geliebten, den Prüfungsweg anzutreten. Pamina hingegen ist ganz Gefühl. Sie zeigt ihre echten, unmittelbaren Gefühle. In der Oper ist sie es auch, die bei der Begegnung mit Tamino zuerst ihre Gefühle offenbart: Eichner stellt diese Unmittelbarkeit und Unverfälschtheit einmal in ihrer kindlichen Nacktheit als Symbol ihrer charakterlichen Unberührtheit dar( mit Sarastro und Königin. Andererseits mit Monostatos Geilheit. Die Beziehung zwischen Sarastro und der Königin der Nacht ist das wichtigste Thema bei Eichner. Er stellt den Sarastro diametral entgegengesetzt zu Mozarts Sarastro dar, greift einige Aspekte auf, die er aber völlig anders entwickelt: in Eichners Sarastro laufen alle® Fäden zusammen, Sarastro ist ein androgyner Priester, der über die Macht des Phallus und der Schlange verfügt. Er findet sich aber auch als alter Mann im Kleid des Vogelfängers im Tempel der Königin der Nacht. Hier werden Prinzipien vertauscht. Der oberste Priester der Eingeweihten findet sich unten im Tempel der Königin der Nacht. Die Psychologie C. G. Jungs von Anima und Animus wird hier künstlerisch aufgegriffen. Sarastro hat als junger Priester durchaus weibliche Anteile. Er repräsentiert die Liebe in erlöster Form, während die Königin der Nacht ganz von Rachegedanken beherrscht wird. Das Bindeglied, die gemeinsame Tochter Pamina, wird mit den Eltern in einem Kreis dargestellt, in dem okkult Neues entsteht. Erwähnenswert ist auch die Rolle Mann/ Frau, ein Thema, das Eichner bereits oft auf unterschiedlichste Weise bearbeitet hat. Der Mann ist der Agierende, am Ende Eingeweihte. Die Frau ist Anlass zum handeln, ganz ihren (Lust) Gefühlen Ausgelieferte. Das trifft letztlich auch auf die drei Damen zu. Die Frau kann weder bei Mozart noch bei Eichner eingeweiht werden. Am deutlichsten zeigt sich dies in der Wasserprüfung, wo Pamina Tamino umklammert hält, ihn fast zurückhält von seinem Weg. Diese Geste, die Eichner hier zeigt, hat besondere Bedeutung, - bereits 1997 entstand die Bronze“ Familienname“. Auch dort hält die Frau den Mann von seinem Weg zurück. Der Skulpturenzyklus schließt sich bei Eichner nicht wie ein Kreis- manche Aspekte werden gar nicht aufgenommen, andere herausragen bearbeitet. Viel Fragen bleiben offen und das Wichtigste: viel neue Fragen werden gestellt. Die Polarität zwischen Sarastro als dem erlösten Archetyp und der Königin der Nacht als dem unerlösten Archetyp(C.G. Jung) bestimmt Anfang und Ende der Präsentation, bildet die Klammer, die alle Formen der Liebe umfasst. Alle Aspekte, von der Begierde bis zur ideellen Liebe fließen bei Sarastro zusammen. Der aber hat bei Eichner androgyne Züge, er hat alles und hat alles gemeistert: deshalb ist er der Eingeweihte. Frage: Wo sind die Musikinstrumente in seiner Kunst? Antwort: Eichner ließ die Zauberflöte und das Glockenspiel einfach weg, weil es ihm nicht auf äußere Zeichen, sondern auf innere Werte der Figuren ankam. Er findet, dass diese Musikinstrumente als Plastik uninteressant sind und lässt sie ganz einfach außen vor. Der Eichner hat für seinen Zyklus eine Materie gewählt, die es ihm gestatte, mit einem Material die unterschiedlichsten Aspekte herauszustellen. Fast alle Skulpturen sind in Terrakotta/ Ton gearbeitet, teils bemalt, teils unbemalt, einige aus Bronze. Die einzige Ausnahme bilden die 3 Damen, die möglicherweise in Bronze die 3 Prinzipien der Liebe verkörpern sollen. Frage? : „Wie ist die Stellung des Zyklus innerhalb des Oeuvres des Eichner“ Antwort: „Eichner setzt in dem Zyklus kontinuierlich seine Arbeit fort. Er bleibt der realistischen Darstellung mit seinen unendlichen Darstellungs - und Ausdrucksmöglichkeit treu“. Eichner hat das Thema Mann /Frau zunächst in vielen Ölgemälden umgesetzt. Seit 1963 beschäftigt er sich mit dem Thema.

2008 erkrankt Eichner schwer und musste am Herzen operiert werden, was seine Leistungsfähigkeit stark behinderte, dazu kam noch ein Lungenkarzionit. Seit 2010 hat seine Frau sich von Eichner getrennt.